Vom Anfang bis zur Antike
Solange Menschen leben und essen, haben sie zweifelsfrei mit ihrer Nahrung auch Pflanzen oder Teile von Pflanzen gegessen, die einen spezifischen Geschmack hatten und der üblichen Nahrung eine veränderte Geschmacksrichtung gaben und die man als "Gewürze" bezeichnet.
Eine
Trennung zwischen Küchenkräutern und Gewürzen wird dabei nicht vorgenommen,
wenn man der Definition folgt, daß beide Aromen und Wirkstoffe enthalten, die
den Geschmack von Speisen beeinflussen oder verändern, ohne zu berücksichtigen,
um welche Pflanzen oder -teile es sich dabei handelt (Wurzel, Stiel, Blatt,
Blüte, Frucht, Samen, Rinde usw.) oder wo sie herstammen (Nord- u.
Mittelamerika, Asien, Europa usw.).
Die
Gründe für den Genuß sind fließend: Kräuter und Gewürze wurden als Nahrung
betrachtet, man benutzte sie außerdem sowohl der Eigenschaften wegen, die die
Gesundheit beeinflussen oder sogar heilende Wirkung haben, als auch zur
Geschmacksveränderung oder -verbesserung
der Speisen.
Unser
heutiger Wissensstand über die Geschichte der Nutzung von Gewürzen ist abhängig
von dem Vorhandensein von Quellen - schriftliche Belege, Funde von Samen oder
Reste offensichtlich häufig verbrauchter Pflanzen; die Erkenntnisse stammen
häufig aus zweiter Hand (...es ist überliefert, daß...), aus Zitaten oder
Wiederholungen von bereits Niedergeschriebenem (das trifft insbesondere auf
mittelalterliche Mönche zu, die Texte griechischer oder römischer Autoren
übernahmen).
Für
einige Kulturkreise liegen Belege aus den Anfängen der Kulturgeschichte vor: in
den Resten der jungsteinzeitlichen
(3.000 v. Chr.) Seeufersiedlungen in der
Schweiz wurde Kümmel und Angelika gefunden.
Mesepotamien,
das Land zwischen Euphrat und Tigris, heute Irak, bot offensichtlich die
klimatischen Voraussetzungen für Pflanzen mit hohem aromatischem Gehalt.
Zwischen
3 000 und 2 700 v. Chr. war Uruk (heute Warka im Irak) Hauptstadt Bayloniens,
sie war 1.000
Jahre vorher gegründet worden; dort gefundene Papyrusrollen erwähnen den
damaligen König Gilgamesch; dort sind auch Hinweise auf den Gebrauch von
Gewürzen zu finden.
Ältestes
Dokument ist ein Textfragment, in Keilschrift geschrieben, in dem Sesam,
Kardamom, Kümmel, Thymian und Safran genannt werden.
In dem
benachbarten Babylon ließ der König Merodach-Baladan eine Nutzgartenkunde
aufschreiben, die Vorschriften für 64 Kräuter und Gewürze enthielt.
China
verfügt über eine botanische Abhandlung des Kaisers Shen-Nung, der um 2 700 v.
Chr. in einer botanischen Beschreibung Zimt als "kwei" bezeichnet
hat.
In
Indien gibt es in der Runinenstadt Mohenjo-Duro am Unterlauf des Indus
Hinweise, daß man im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr. Gewürze von der Insel Ceylon
bezogen hat.
Peru
und Mittelamerika: es ist gesichert, daß die Azteken Gewürze (Chilis) vor 9 000
Jahren zum Würzen verwendet haben.
In
Nordamerika verfügen die Indianer über eine lange und intensive Kenntnis von
Gewürzen, wenngleich hier der Schwerpunkt der Anwendungen im medizinischen
Bereich liegen. Zeitliche Bestimmungen konnten nicht gemacht werden.
In
Afrika verfügen Stämme über überliefertes Wissen, ohne daß schriftliche
Aufzeichnungen vorliegen; es ist daher nicht zu bestimmen, seit wann diese
Kenntnisse verfügbar sind.
Im
Laufe der Geschichte werden die Gewürze der verschiedenen Kulturkreise Zugang
zu den anderen Zivilisationen bekommen; somit ist die Geschichte der
Verbreitung der Gewürze auch eine Geschichte der Transportwege.
Im
Mittelpunkt dieser Betrachtungen soll Zentraleuropa stehen.
4000. v. Chr. Arzneipflanzenkulturen standen in
Kleinasien in Blüte, berichtet Theophrastus (geb. um 372, gest. 287 v. Chr.).
3000
v. Chr. werden erstmalig schriftliche Aufzeichnungen gemacht: auf babylonischen
Tontafeln sind medizinische Rezepturen und Kräuterimporte beschrieben. 3000
v. Chr. Im neolithischen Pfahlbau von Robenhausen wurden verkohlte
Kümmelfrüchte gefunden. Kümmel ist damit in Europa die älteste nachweisbare
Gewürzpflanze.
2700
v. Chr. Eine aus dieser Zeit stammende
assyrische Keilschrifttontafel erwähnt eine "braune Droge, Tochter des
Feldmohnes" , womit wahrscheinlich Opium gemeint ist (Britisches Museum in
London).
2700
v. Chr. - etwa zur gleichen Zeit - entsteht unter dem Kaiser Sheng Nung in
China eine Handschrift "Pen Tsao" in der 365 Pflanzenarten aufgezählt
werden, die gesundheitsfördernde Eigenschaften haben.
2300
v. Chr. wird auf einer ägyptischen Tafel die Verwendung von Cassia und Thymian
bei der Bierherstellung gezeigt.
1500
v. Chr. werden auf der Papyrosrolle Ebers 877 Rezepte aufgeschrieben unter
Verwendung von Anis, Cassia, Bockshornklee,
Fenchel, Kalmus, Kardamom, Koriander, Knoblauch, Kümmel, Minze, Mohn,
Safran, Senf, Sesam Thymian, und Wermut.
1200 -
600 v. Chr.: Inschriften von Gräberfunden in Ägypten bezeugen die Kultur der
Minze.
Aus
einer Stelle des 740 v. Chr. in Jerusalem wirkenden Jesajas (Jesaja 28, 25,
27) heißt es vom Landmann "... so streut er Wicken und wirft
Kümmel und sät Weizen und Gerste, jegliches wohin er´s haben will und Spelt an seinen Ort" (25)
und "... denn man drischt die Wicken nicht mit dem Dreschwagen, so läßt
man das Wagenrad auch nicht über den Kümmel gehen; sondern die Wicken schlägt
man mit einem Stabe und den Kümmel mit einem Stecken".
Um 700
v. Chr. werden in einer Keilschriftbibliothek des assyrischen Herrschers
Asurbanipal Dill, Fenchel, Kardamom, Safran, Sesam und Thymian beschrieben.
500 v.
Chr. gibt es bei mehreren Autoren (Aristophanes, Eupolis u. a.) Erwähnungen von Händlern auf
den Marktplätzen, darunter finden sich Zwiebelhändler, Gewürzhändler,
Knoblauchhändler, Weihrauchhändler, Myrrhenhändler, Parfümhändler und
Arzneihändler.
450 v.
Chr. beschrieb der römische Geschichtsschreiber Herodot die Ernte von Zimt und
Kassia.
Alexander
der Große, 356 - 323 v. Chr., hatte durch seine Eroberungsfeldzüge bis nach
Indien Gebiete kennengelernt, zu denen bis dahin nur wenig Kontakt bestanden
hatte; die Gewürze, die man dort kennengelernt hatte, wurden nun gehandelt: auf
der - sogenannten - Seidenstraße wurden von China über Turkestan, über das
Pamirgebirge und Turkmenistan, über Teheran, Hamadan nach Antiocha (heute
Antakya in der Türkei) an der Mittelmeerküste mit Kamelkarawanen neben Seide
meist Gewürze transportiert; eine Strecke von mehr als 5 000 Kilometern. Die zu dieser Zeit die Mittelmeer-Schiffahrt
beherrschenden Phöni-zier, später die Griechen, holten hier ihre orientalische
Handelswaren ab, um sie in die europäischen Länder zu verkaufen
Neben
der Seidenstraße gab es zu dieser Zeit einen Seeweg.
Theoprast
von Ephesos (geb. um 372, gest. 287 v.
Chr.) schrieb eine Naturgeschichte der Pflanzen (Zeit Alexander des Großen).
Theophrastus, ein Schüler des Aristoteles (384 bis 322 v. Chr.) wird als der
Begründer der Heilpflanzenlehre, wie überhaupt als "der Vater der antiken
Botanik" angesehen. Er beschreibt Pfeffer, Kardamom und Kassia.
Der
lateinische Dichter Vergil schrieb zwischen 37 und 30 v. Chr.
"Georgica" (Landbau) als Handbuch für den Acker- und Gartenbau.
Im
Alten Testament werden viele Arznei-, Duft- und Gewürzpflanzen erwähnt, so z.B.
im "Hohen Lied Salomos" (5,13) "..Würzgärtlein, da Balsamkräuter
wachsen.."
Das 2.
Buch Moses berichtet in Kapitel 30, Verse 22 bis 26:
"Und
der Herr redete mit Mose und sprach: Nimm zu dir die beste Spezerei: die
edelste Myrrhe, fünf hundert Lot, und Zimt, die Hälfte soviel, zwei hundert und
fünfzig, und Kalmus, auch zwei hundert und fünfzig, und Kassia, fünf hundert,
nach dem Lot des Heiligtums, und Öl vom Ölbaum ein Hin."
Aus
Germanien ist zu dieser Zeit noch nicht viel bekannt:
kürzlich fand man aus der
Zeit um Christi Geburt Moorleichen, die Mehlsuppe mit Kräutern zu sich genommen
haben.
Von
Lucius Columella (50 n. Chr.) sind 12 Bücher über die damalige Landwirtschaft
erhalten geblieben. Er gab Anleitungen u. a. zum Anbau von Inula helenium L.
und Canabis sativa L., beschrieb die Kultur von Crocus sativus L.in Italien und
erwähnte weitere Drogen.
Der
Schriftsteller Gajus Plinius Secundus, genannt Plinius der Ältere (etwa 23-79
n. Chr.) hat als Schriftsteller eine Naturgeschichte in 37 Bänden geschrieben;
darin werden Kardamom, Zimt und Ingwer beschrieben.
70 n.
Chr. berichtet er: "Bei vorsichtiger Schätzung entziehen Indien und die
Arabische Halbinsel aus unserem Imperium
100 Millionen Sesterzen pro Jahr - so
teuer bezahlen wir für unseren Luxus und für Gewürze".
Ebenfalls
im 1. Jhdt. n. Chr. schrieb Marcus
Gabius Apicius das erste (uns erhaltene) Kochbuch "De Re Coquinaria",
in dem unter anderem erwähnt sind:
Würzhonig:
gekochter, mit Pfeffer gemischter Honig zum Würzen von Wein;
Wermutwein:
Wermut, Pistazien, Nardenblätter, Kostwurz, Safran werden mit Wein gemischt;
Rosen-
oder Veilchenwein: Rosen- oder Veilchenblätter werden in einem Leinensack in
Wein gehängt, um ihn zu aromatisieren;
Aromatisches
Öl: Alant, Cypergras und Lorbeerblätter werden pulverisiert und mit Salz oder
unter Öl gemischt;
Fischsoße:
(wird sehr häufig genannt) Sardellen und Wein werden durch Kochen solange
reduziert, bis ein Brei zurückbleibt, der durch ein Haarsieb getrieben in
Flaschen gefüllt wird;
Würzsalz:
Salz, gemischt mit weißem und schwarzem
Pfeffer, Ingwer, Sellerie- und
Petersiliensamen, Majoran, Safran, Ysop, Nardenblätter, Petersilie und Dill;
Würze
zu Trüffeln: Pfeffer, Liebstöckel, Raute, Fischlake, Honig und Öl;
diese
und eine Reihe anderer Würzmischungen werden ausführlich beschrieben.
Claudius
Ptolemäus, 90 - 168 n. Chr., war der
erste Geologe; mit der "Anleitung zur Erdbeschreibung" stellte er das
damals bekannte Gebiet dar. Darunter befanden sich auch Indonesien und die
Mailaiische Halbinsel; diese werden als Lieferanten zahlreicher Gewürze
benannt.
Bei
Ausschachtungen im hessischen Butzbach stieß man auf eine von Römern im 2.
Jhdt. angelegte Zisterne; man analysierte dort Samen von Dill, Fenchel,
Koriander, Kümmel und Sellerie.
Galenos (geb. um 131, gest. zwischen 200 und 210 n. Chr.) erwarb sich als Arzt große Verdienste um die Einführung der Arzneipflanzen in die Therapie. Galenos wirkte besonders in Alexandrien, dem damaligem Zentrum medizinischer Gelehrsamkeit, verbrachte eine Zeit seines Lebens aber auch in Rom am kaiserlichen Hofe. Der "Materia medica" Galens ist es in starkem Maß zu verdanken, daß die Arzneipflanzen in den Vordergrund des ärztlichen Interesses rückten. Sein Name ist auch bis heute in der Bezeichnung "galenische Präparate" erhalten geblieben.
Später
beschäftigte sich besonders Palladius mit Spezialkulturen. Seine aus dem 4.
oder 5. Jhdt. stammende Schrift "Opus agriculurae" in 14 Bänden
enthält u. a. Angaben über den Anbau von Inula helenium L., Pimpinella anisum
L., Cnicus benedictus L., Coriandrum sativum L., Malva sspec., Thymus serpyllum
L. em Fries und weitere Arznei- und Gewürzpflanzen. Sie enthält außerdem
Notizen über Matricaria chamonilla L. (auch in medizinischer Hinsicht),
Foeniculum vulgare Mill. und Carum carvi L. Zu
Beginn des 5. Jhtds. belagerte der Gotenkönig Alarich Rom; unter den erbeuteten
städtischen Schätzen befand sich auch eine Tonne Pfeffer - auf diese Weise
lernten die Germanen ebenfalls den Pfeffer kennen.
Der
Hunnenkönig Attila wurde von dem oströmischen Kaiser Theodrius II (408 - 450 n.
Chr.) durch eine Abgabe von Pfeffer davon abgebracht, Konstaninopel zu
vernichten.
512
schrieb Dioskurides (Dioscorides) das Buch "De Materia Medica"; er
lebte in Anazarbos in Kilikien. Dieses Wissen wurde die Basis für die
mittelalterlichen Mönche Zentraleuropas, auf die sie ihre Niederschriften
gründeten.